Montag, 19. Mai 2014
Die kommenden fünf Etappen sind vorgeplant, denn wir wollen diesmal nicht nur radeln, sondern auch Zeit für Kulturelles haben. Das heißt, bis Weimar haben wir einen festen Zeitplan: Die Strecke ist ausgesucht, die Hotels sind reserviert.
Der Aufbruch von Fulda aus verläuft zunächst etwas holprig, weil – wie immer – der Einstieg für den Radweg nicht so einfach da liegt. Hinweisschilder gibt’s zwar, aber wir brauchen eine kleine Weile, um sie aufzuspüren.
Zudem ‚überrede’ ich Werner noch zu einem Umweg zur Kinderakademie, wo man aus der Perspektive eines roten Blutkörperchens ein begehbares Herz von 36 m² Grundfläche und fünf Meter Höhe erforschen kann. Leider erfahren wir am Einlass, dass es nur geführte Besichtigungen nachmittags um 16 Uhr gibt … Ich bin enttäuscht, Werner ist mürrisch.
Wir fahren also unverrichteter Dinge fort und machen uns endlich auf den Milseburg-Radweg Richtung Tann.
„Rhön grenzenlos schön“ – da hat sich ein kluger Kopf einen sehr treffenden Werbespruch ausgedacht. Sicherlich liegt es auch an dem prächtigen Wetter, dass ich die Landschaft so herrlich finde. Die bewaldeten Kuppen der Rhön erscheinen am Horizont. Sonnenschein und blauer Himmel lassen die vielen Töne des saftigen Grüns der Felder und Wiesen zu einem intensiven Farberlebnis werden. An manchen Stellen säumt ein Spalier von verblühtem Löwenzahn den Radweg. An anderer Stelle wurde das Gras schon gemäht, und dort liegen die durchsichtig weißen Köpfchen ohne Rumpf wie extra für uns hingestreut mitten auf dem Weg.
Der Milseburg-Radweg führt geradlinig durch die Landschaft und steigt stetig, aber gemächlich an. Noch bevor man das dunkle Loch des Tunnels entdeckt, macht sich aus einiger Entfernung ein eisig kalter Luftzug bemerkbar. Ich ziehe den Kragen meiner Jacke bis oben hin zu und dann geht’s los: 1172 Meter bei Kühlschranktemperatur – da heißt es schnell strampeln! Am anderen Ende empfängt uns glücklicherweise wieder frühsommerliche Wärme.
Von nun an geht’s fast nur noch bergab, die Räder rollen wie von alleine.
Am Rand einer Wiese schauen wir zu, wie hier Silagefutter vorbereitet wird: Ein Traktor mit einem Kasten als Anhänger saugt säuberlich die dünnen Reihen des gemähten Grases ein und spuckt anschließend aus einer Klappe eine große runde Rolle aus. Ein zweiter Traktor gabelt sie auf und wickelt sie automatisch mit einem hellgrünen Plastikband zu einer dicken, etwas abgeflachten Kugel. Die umstehenden Kühe scheinen sich für diesen Vorgang ebenso zu interessieren wie wir Radler.
In Tann gönnen wir uns nach der ersten Etappe unserer Tour ein Gläschen Wein, sitzen im Sonnenschein und sind zufrieden.
Bei Familie Kehl in Lahrbach genießen wir gutes Essen, sind aber von der gesamten Atmosphäre weniger verklärt als bei unserem ersten Besuch. Der Abend klingt für uns auf der Terrasse des Gästehauses aus. Draußen ist es nicht nur dunkel, sondern richtig nachtschwarz, keinerlei Autolärm stört, ländliche Ruhe umgibt uns.