Dresden

Donnerstag, 05. Juni 2014
Wir kaufen eine Familienkarte für die Tram, was uns für den ganzen Tag öffentlich mobil sein lässt, denn heute haben wir in der Stadt Großes vor.
Der Besuch des Kästner-Museums am Albertplatz bleibt allerdings nur ein Versuch, da wir nicht angemeldet sind (!) und ansonsten der Donnerstag für Schulklassen reserviert sei. Weit und breit sind keine anderen Besucher da – wir sind enttäuscht und können über solches Vorgehen nur den Kopf schütteln.
Also fahren wir weiter in die Innenstadt. Im Café Prag werden Gerichte aus vielen Teilen der Welt frisch zubereitet: aus Ungarn, Italien, Vietnam, China, Japan, Indien, Syrien, aus den USA, Russland, der Türkei, aus Sachsen natürlich … Wir wählen Vietnamesisches, dazu einen leichten französischen Wein.
Danach kehren wir zu einem kleinen Mittagsschlaf zurück, um für das große Abendprogramm fit zu sein: Werner hat sich für politisches Kabarett in der Herkuleskeule entschieden, ich sehe in der Semperoper „Alcina“, eine barocke Oper von G.F. Händel aus dem Jahre 1735.
Zunächst gibt die Dramaturgin im Opernkeller eine hervorragende Einführung in die Opern-welt des 18. Jahrhunderts, erläutert kurz Händels Schaffen und geht dann detaillierter auf „Alcina“ ein. Das ist für mich alles sehr informativ und hilft mir, der Handlung ohne inhalt-liches Stolpern zu folgen. Ich erlebe eine sehr anspruchsvolle, fesselnde Darbietung der Sänger und bin danach ganz mitgenommen von der Aufführung. Das Bühnenbild ist sehr reduziert und unterstützt klar und prägnant die Handlung. Ein Mann steht zwischen zwei Frauen, die sehr unterschiedliche Auffassung vom Leben und Lieben haben: Die Zauberin Alcina verkörpert Leidenschaft und Luxus, be- und verzaubert Männer nach Lust und Laune, wohingegen Bradamante für Pflicht und Harmonie steht. Ruggiero ist der Zauberin verfallen,
kehrt dann aber mit seiner Frau ins bürgerliche Leben zurück. In der Dresdner Aufführung
wählt er den Tod als Ausweg. Alcinas Reich verschwindet, beide Frauen bleiben zerstört und trauernd zurück.
Ebenso begeistert wie ich die Oper genießt Werner seinen Kabarettbesuch. Wir trinken noch gemeinsam ein Bier und tauschen dabei unsere kulturellen Erlebnisse aus.
Die Rückkehr mit der Tram spät nachts dauert länger als erwartet. Unangenehm fällt uns am Bahnhof Neustadt der erste Neonazi auf: ein junger Mann in paramilitärischer Kleidung, tätowiert bis zum Hals, mit großem Schäferhund an locker gehaltener langer Leine, sehr selbstbewusst im Auftreten, seine Braut himmelt ihn offenbar an. Für Samstag ist im Stadtteil Pieschen, ganz in der Nähe unserer Pension, ein Treffen von Rechtsextremen angekündigt.