Samstag, 02. Juni 2012

Etappe 14

Lindau – Stiefenhofen = 48 km

Bei strahlendem Sonnenschein brechen wir auf und genießen es, wieder auf den Rädern zu sitzen (auch wenn die Drahtesel mittlerweile ganz schön schmutzig sind)!

Heute ist der Tag der Allgäuer Kullerfass-Berge: Es geht rauf und runter, manchmal wie bei einer gemäßigten Welle, ein anderes Mal mit langem steilen Anstieg, der die Technik unserer Fahrräder voll zum Einsatz bringt. All das geschieht vor einer neuerlichen Bilderbuchkulisse (ein anderer Vergleich fällt mir nicht ein): Das saftige Grün der Bergwiesen prägt sich dem Auge tief ein, dazu die vorherrschende Ruhe – wir erholen uns trotz der Anstrengung des Fahrens! Die Dörfchen, die wir durchfahren, liegen beschaulich da in der Stille des sonnigen Samstagvormittags.

In Wigratzbad kaufen wir in der Käse-Glocke Rohmilchkäse aus Allgäuer Sennereien. Für unser mittägliches Picknick finden wir wieder eine Bank an einer Stelle, von der wir weit ins Tal bis auf die gegenüberliegenden Berge schauen können. Der milde Wildblumenkäse schmeckt uns köstlich zu der Seele (= eine Art Baguette); dazu trinke ich eine frische Buttermilch, Werners kulinarisches Wohlbefinden wird durch eine Kaminwurzen ergänzt.

Heute früh bei einem Kaffee in Opfenbach erhielten wir den Tipp, in Stiefenhofen im Landgasthaus Rössle Quartier zu nehmen. Wir haben gleich reserviert, denn in Bayern sind gerade Pfingstferien, und da weiß man ja nicht, was so am Wochenende los ist. Das Hotel stellt sich als Glücksfall heraus, denn nun haben wir (dank der Mövenpick-Steuer?) nicht nur ein komfortables modernes Zimmer, sondern wir genießen auch die Künste des Kräuterkochs Axel Kulmus, der wohl in ganz Bayern bekannt ist: Rahmsuppe vom Allgäuer Bergwiesenheu, Wildkräuter-Semmelknödel, dazu deftigen Schweinsbraten, zum Abschluss Zwetschgenröster mit Vanille-Eis  – lecker!

Radfahrer sind abends immer hungrig – zumindest gilt das für Werner und mich …

Oder sie sind müde … allerdings dürfen wir das heute sein, denn immerhin haben wir mit Sack und Pack 400 Höhenmeter erklommen!

Freitag, 01. Juni 2012

Lindau: Urlaub vom Urlaub

Heute Morgen regnet es heftig, der Himmel ist grau und trübe – also beschließen wir ganz disziplinlos, nicht weiterzufahren. Ein Ruhetag nach 697,5 km wird uns gut tun. Außerdem braucht es auch eine kleine Unterbrechung, um den Beginn der letzten großen Etappe zu markieren. Faulenzen ist erlaubt, zudem muss mal Waschtag sein.

Wir fahren mit dem Stadtbus ins Zentrum und machen auf der Insel Lindau einen kleinen Bummel. Vom Café Corner des Bayerischen Hofes hat man einen schönen Blick auf den Hafen, und da sich langsam die Sonne wieder zeigt, erkennen wir sogar die Bregenzer Seebühne auf der anderen Seite des Ufers.

Der „freie“ Tag vergeht sehr schnell. Mindestens genauso müde wie an Radeltagen sitzen wir beim Abendessen – und freuen uns auf den morgigen Tag, wenn wir zum Bodensee-Königssee-Radweg aufbrechen.

Donnerstag, 31. Mai 2012

Etappe 13  = Radeln im Ausland

Güttlingen – Utwil – Arbon – Bregenz – Lindau = 66 km

Nach einem guten Frühstück mit gutem Schweizer Käse schnüren wir wieder die Ränzlein und ziehen von dannen.

Der Bilderbuchvergleich für die Landschaft ist heute mehr angebracht denn je: Links neben uns plätschert der Bodensee, rechts neben uns erstrecken sich kilometerlang Obstbaumplantagen, weiter hinten erhebt sich der Säntis mit schneebedeckten Hängen, alles liegt friedlich in der Morgensonne und begrüßt still den Tag. In Utwil genießen wir eine kleine Weile diese Stimmung auf einer Bank in unmittelbarer Nähe zum See. Dabei beobachten wir ein Schwanenpaar, das in der kleinen Bucht im Schilf mit seinen sechs Jungen Morgenwäsche hält. Über dem See schwebt in der Ferne lautlos ein Zeppelin.

Auf Ulis Rat hin gibt es einen Kaffee in Arbon im Badi, wo man auf einer Terrasse über dem Bodensee sitzt und wieder einen weiten Blick zum gegenüberliegenden Ufer in Deutschland hat.

Das heutige Mittagessen fällt eher spartanisch aus: je ein Dinkelbrötchen vom Vortag mit knackigen Radieschen, ein Stück Kuchen bzw. die Hälfte eines Darmstädter Power-Riegels, dazu köstliches Mineralwasser. Unsere Reisekasse sträubte sich irgendwie gegen einen weiteren Besuch eines Schweizer Restaurants … und überhaupt fühlt man sich als Euro-Zahler manchmal wie ein armer Verwandter der Franken-Zahler …

Die Radstrecke ist sehr schön bis Rorschach. Hier lösen jedoch Industriezonen und lauter Verkehr die bisherige Gepflegtheit und Beschaulichkeit ab.

Und dann sind wir auf einmal in Österreich: Zunächst umfängt uns ländliche Landschaft mit ländlichem Duft, dann kommen wir durch das Naturschutzgebiet Rheindelta, ein Eldorado für Ornithologen. Natürlich respektieren wir die vorgeschriebenen Wege, sehen dabei Pappeln und Weiden mit mächtigen Stämmen, gelb blühende Wasserschwertlilien, kostbare Bestände an Sumpfiris, einen Seidenreiher.

Der Radweg setzt sich fort auf einem äußerst staubigen Damm nach Hardt, dann geht es weiter auf asphaltierten Wegen über die Dornbirn-Ache bis nach Bregenz. Hier werfen wir einen Blick auf ein Highlight: die Seebühne mit der beeindruckenden Kulisse für die Oper „André Chenier“, die im Juli und August dieses Jahres dort aufgeführt wird – super!

Nahezu unvermittelt sind wir im „Freistaat Bayern“ auf dem Uferradweg nach Lindau.

Ein nettes Ehepaar gibt uns noch ein paar Tipps für den Einstieg in den Radweg zum Königssee, aber für heute ist es genug, und so folgen wir ihrem Vorschlag und nehmen ganz in der Nähe Quartier im Hotel Nagel: ein ruhiges, gemütliches Zimmer, ein gemütliches Abendessen – endlich Nachtruhe!

Einige Regentropfen tröpfeln sacht hernieder …

 

 

Mittwoch, 30. Mai 2012

Etappe 12

Singen – Radolfzell – Konstanz – Güttingen (CH) = 58 km

Von Singen aus führt uns der Weg direkt nach Radolfzell, das mir nach vier Kur-Aufenthalten auf der Mettnau mittlerweile heimisch-vertraut ist. Auf dem Marktplatz weckt ein Kaffee unsere noch müden Geister, und anschließend decken wir uns auf dem kleinen Bauernmarkt mit Proviant für die Weiterfahrt ein.

Auf dem Weg nach Markelfingen sehen wir bereits dunkle Wolken aufziehen, aber für ein – eigentlich – romantisches Picknick beim Naturfreundehaus direkt am See bleibt gerade noch Zeit. Dann aber müssen wir uns beeilen, der Regenwand davon zu radeln.

Mich beschleicht ein wehmütiges Gefühl, nicht genug Zeit zu haben für all die Schön-heiten hier – ich hätte heute gerne freier gehabt!

Über  Allensbach gelangen wir längs des Sees nach Konstanz, das uns mit Straßenbaulärm, Fahrzeuggedröhne und Verkehrschaos empfängt, was sogar zum kurzzeitigen Verlust des Radelpartners führt. Eine kleine Pause in einem netten Biergarten direkt am Wasser baut uns wieder auf.

Eine Novität für uns als reisende Menschen ist diesmal das Überqueren der Grenze zum Nachbarland: Heute ist es nämlich ein Über-Radeln.

Schon gleich in Kreuzlingen fällt uns auf, in welch hervorragendem Zustand hier die Radwege sind, die sogar größtenteils parallel verlaufen mit Inlineskater-Wegen. Alle Markierungen sind eindeutig und klar zu sehen – eine gute Orientierungshilfe.

Links von uns glitzert der See mit seinem unverbauten Ufer in der Nachmittagssonne, rechts hinter der Bahnlinie weiden Rinder auf saftigen Wiesen.

In Güttlingen finden wir im Hotel Garni am Lindeneck ein nettes Zimmer: gediegen, geschmackvoll, schweizerisch teuer, mit gutem Bett und ruhig. Nach einem ebensolchen schweizerischen Abendessen (Kalbsgeschnetzeltes mit Butterrösti … mmh!)  wählen wir noch von den 160 Coupes, die es auf der Eiskarte gibt, unser unbeschreiblich gutes Dessert: Williams-Sorbet mit Williams  … mmh! Besser, wir denken nicht darüber nach, wie viele Euronen wir hier heute ausgeben!

Satt, müde und zufrieden kuscheln wir uns in Morpheus’ Arme.