5. Etappe
Deggendorf – Zwiesel – Frauenau – Zwiesel = 23 km

Samstag, 25. Mai 2013

Das regnerische, kühle Wetter und entsprechende Meldungen von 13 cm Schnee auf dem Brocken und im Schwarzwald lassen darauf schließen, dass es auch im Bayerischen Wald nicht sommerlich sein wird. Auf der Deutschland-Wetterkarte für die nächsten Tage erkennt man für den südöstlichen Teil des Landes eigentlich nur eine dunkle, graue Fläche, so wie wenn schwarze Tinte ausgelaufen wäre … Also steigen wir in Deggendorf in die Waldbahn und fahren gemütlich im Zug bis Zwiesel.

Sanft gerundete Berge mit dunkelgrünen Baumkappen liegen im fernen Regennebel in ihrer ganzen Masse ruhig da, weite grün-bunte Wiesen lassen den Sommer ahnen.
Beim Blick auf die vorbeiziehende Landschaft habe ich die Idee, dass ein Maler manche der bisherigen Eindrücke der Radtour in einem Stillleben festhalten könnte, um Ruhe und Muße dieser Art des Reisens bildhaft zu unterstützen.
Es wäre ein harmonisch-buntes Bild mit vielen Farben, dominiert von Grün in allen Schattierungen und Abstufungen für Gräser und Blätter, darin leuchtende Stellen in Lila für die fransigen Kuckuckslichtnelken, cremiges Weiß für langstielige Margeriten mit ihren gelben Tupfen in der Mitte, silbriges Weiß für die zahllosen kleinen Ballone der Pusteblumen, zartes Rosa für die Pfeifenputzerblüten des Wiesenknöterichs und des Knabenkrauts, kräftiges Magentarot für den Klee, rostiges Rotbraun für die Rispen des Sauerampfers, sattes Blau für Glockenblumen und Wiesensalbei, helles Gelb für die kleinen Blüten des Hahnenfußes oder die Strahlenkörbchen des Löwenzahns … Allerdings müssten bei dem Landschaftsbild die unterschiedlichen Blumen nach gewissen Standortbedingungen verteilt werden; Werner weiß hier mehr.

Landschaftlich ist es im Bayerwald wirklich so reizvoll, wie überall die Reklamehinweise versprechen – aber kalt! Kurt Tucholsky betont in seinem „Schloss Gripsholm“ immer wieder, wie ungemütlich es in Schweden sein kann, aber war er Ende Mai schon mal im Bayerwald? Ich sage nur an seiner Stelle: „… und kalt!“

Wir machen eine kleine Tour nach Frauenau, wo es ein Glaskunstmuseum zu besichtigen gibt, das das hiesige Kunsthandwerk in seinen vielen Facetten würdigt. Ich bin immer wieder beeindruckt davon, mit welch hohem Maß an Kreativität die Glaskünstler ihre ästhetisch so ansprechen-den Objekte erschaffen. Ein kleines feines Erinnerungsstück wird mich wohl an meinem Geburtstag erfreuen …
Heute haben wir den Kleinen Regen und den Schwarzen Regen überquert, glücklicherweise ohne wirklichen Regen von oben.

"Gläserner Garten" in Frauenau

Im "Gläsernen Garten" in Frauenau

Quartier nehmen wir unweit von Zwiesel im Magdalenenhof, den ich auch wegen der Sauna aussuche. Die Wetterprognose ist einfach nur miserabel, und so planen wir aus Vernunftgründen einen weiteren Tag Pause ein.

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Ruhetag in Deggendorf

Freitag, 24. Mai 2013

Heute ist der Himmel grau verhangen, es regnet einen kalten, unwirtlichen Regen – dieser Tag wird also ein Tag ohne Rad fahren!

Wir schlendern vormittags ein bisschen um den Luitpoldplatz herum, stöbern in einer gut sortierten Buchhandlung, gönnen uns ein Gläschen Prosecco, naschen dazu einen Deggendorfer Knödel, was ein dreifach gefüllter Riesentrüffel ist, bevor ein kleines Mittagessen unsere Mittagsruhe einleitet, die wir im kuscheligen Zimmer genießen.
Nach Besichtigungstour steht uns nicht der Sinn. Ich schreibe ein bisschen am Reisebericht, Werner kümmert sich um die notwendige Wäsche, liest und macht mit Blick auf eine Schlechtwetterlösung Pläne für die morgige Weiterfahrt.

Der Abend klingt wieder in gastlicher Atmosphäre mit bairischen Schmankerln aus.

4. Etappe
Passau – Deggendorf
= 68 km

Donnerstag, 23. Mai 2013

Heute ist Wetter für eher unerschrockene Radfahrer: sehr, sehr kühl – aber zumindest trocken.
Ich umhülle mich mit mehreren Schichten, um für die recht bissigen Temperaturen gerüstet zu sein: kurze Radlerhose, lange Jogginghose, lange Trekkinghose, zwei Funktionsunterhemden, Skirolli, Fleecejacke mit Windjacke und Kapuze, dazu natürlich Handschuhe – eigentlich ist es wie beim Skifahren, nur ohne Skier und (noch?) ohne Schnee …

In Passau finden wir schnell den Einstieg in den Donauradweg, der an der gewaltigen Staustufe Kachlet über den breiten Fluss führt. Man hat hier beinahe den Eindruck, über ein Werftgelände zu fahren.
Weiter geht es längs der breit dahin fließenden Donau, an deren Ufer Schwäne unbeeindruckt von der fehlenden Wärme hoheitsvoll zu uns rüber nicken.
Ein paar Kilometer vor Vilshofen treffen wir auf drei ältere weißhaarige Herren mit ihren mehr als voll bepackten Fahrrädern. Es sind Franzosen, drei Brüder aus Lyon, die sich nach ihrer ‚retraite’ einen lang geträumten Traum erfüllen: Sie fahren gemeinsam per Rad von Frankreich bis zur Donaumündung ans Schwarze Meer!
Müde und verfroren wie wir sind, müssen wir in Vilshofen erst mal Rast machen. In einem urigen bairischen Gasthaus lassen wir uns ein warmes Mittagessen schmecken, denn Picknick ist nicht angesagt. Eigentlich könnten wir nach den bisherigen 30 Kilometern Etappenschluss machen, aber wir schwingen uns dann doch wieder aufs Rad.
Der Himmel wird zunehmend hell und sonnig, aber frisch ist es, so frisch … Auf dem Donauradweg begegnen wir nur wenigen anderen Radfahrern.

Als wir nach mehreren Stunden kühler Frischluftaktivität in Deggendorf eintreffen, sind wir doch froh, die heutige Etappe nicht vorzeitig abgebrochen zu haben. Zum Verschnaufen setzen wir uns in der wärmenden Nachmittagssonne auf eine Bank am weiträumigen Luitpoldplatz und genießen die angenehme Atmosphäre, die der Platz ausströmt. Gasthof-Hotel Höttl mit seiner hübschen hellen Fassade macht einen behaglichen, gediegenen Eindruck, wir fühlen uns gleich willkommen. Das Zimmer ist nett und komfortabel und so beschließen wir – auch angesichts der meteorologischen Androhungen, über die uns die besorgte Uli sogar aus der Schweiz auf dem Laufenden hält – hier einen Ruhetag einzulegen.
Am frühen Abend lassen wir es uns in der gemütlichen Gaststube bei reichlich leckerem Essen und Trinken gut gehen und freuen uns auf eine erholsame Nacht in einem warmen, guten Bett.

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3. Etappe:
Ering – Passau = 57 km

Mittwoch, 22. Mai 2013

Der Tag beginnt zwar sonnig, aber doch ziemlich kühl. Werner leiht mir sein neu erworbenes Icebreaker-Hemd, das mich wollig wärmt.
Die Strecke heute ist wirklich sehr schön! Mit ein bisschen Rückenwind und bei viel Sonne radeln wir fast 50 km auf dem Inn-Radweg auf einem Damm etwas oberhalb des breiten Flusses entlang, der rechts von uns ruhig und majestätisch dahin fließt. Die Ufer sind nicht starr eingefasst, sondern wir schauen auf eine natürlich geformte Flusslandschaft voller Schilf-bewuchs und Wasservögel, an den Hängen sehen wir häufig die rosa bis violett leuchtenden Blütenstände des Knabenkrauts. Interessant sind auch die vielen erklärenden Bildtafeln über die Fische, die wohl hier zu finden sind.

Bei Vornbach treibt uns ein heftiger Regenschauer in das kleine Dorfcafé – glücklicherweise, denn Kuchen und Kaffee sind wirklich lecker und in dem liebevoll eingerichteten Gasträumchen fühlt man sich gleich wohl.
Die letzten Kilometer für heute fahren wir so nah am Inn lang, dass er uns fast die Füße umspülen könnte – aber für ausreichend Nässe sorgt nun der Regen ‚which did not fail to follow the predictions’ und der uns bis Passau begleitet. Aber trotzdem sind diese letzten Kilometer längs des Inn bis zur Mündung in die Donau romantisch-schön!

In Passau ergreife ich die Gelegenheit, mir eine neue Fleecejacke zu kaufen, um wärmetechnisch etwas besser ausgerüstet zu sein als meine ganz offensichtlich schludrig gepackte Ausrüstung es zulässt. Vielleicht wird’s aber auch wieder wärmer …
Nun suchen wir nur noch den Weg zur Triftsperre in Passau-Hals, wo wir in einem kleinen Gasthof am Ende der Welt ein Zimmer reserviert haben. An dieser Stelle gab es eine Art Absperrung in der Ilz, wo die Flößer das Holz sammelten, das dann zu Tal befördert wurde.

Triftsperre an der Ilz bei Passau

Triftsperre an der Ilz bei Passau

Müde, durchfroren (ich jedenfalls) und hungrig erreichen wir unser Ziel. Die Unterkunft ist zwar einfach, aber ordentlich, und abends gibt es für mich eine köstliche Bayerwaldforelle!
Wir unterhalten uns nett mit einem Ehepaar aus Ludwigsburg, die nun, nachdem ihre vier Kinder erwachsen sind, wieder alleine auf Urlaubsreise sind. Herr Oster, ein charmanter, bewegungsbegeisterter Mediziner, beneidet uns ein bisschen um unser Radabenteuer, wie er sagt.

Nun sind wir zwei Tage entlang der Salzach, dann längs des Inn bis zur Donau geradelt und übernachten an der Ilz.

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2. Etappe:
Kay (Tittmoning) – Ering = 67 km

Dienstag, 21. Mai 2013

Das Wetter ist hervorragend: blauer Himmel, sonnig, allerdings recht kühl.
Wir wählen heute den Salzhandelsweg, der oberhalb der Salzach durch Wiesen und Felder führt, die aber kein ursprüngliches Landschaftsbild mehr abgeben. Werner bezeichnet dies hier als Agrarsteppe. Wir kommen an vereinzelten Bauernhöfen vorbei, die teilweise von herrlichen Bauerngärten umgeben sind, andere allerdings von jauchigen Misthaufen und widerlich stinkenden Futtersilos – ich möchte es hier nicht mal mit einer Klammer auf der Nase aushalten!

Zu Mittag sind wir in Burghausen, einem sehr hübschen kleinen Städtchen an der Salzach, das sozusagen auf zwei Ebenen liegt: In der modernen Stadt herrscht eine geschäftige, angenehm unaufgeregte Atmosphäre, die Altstadt mit der berühmten Burganlage dominiert den Ort auf über 400 m Höhe. In der warmen Mittagssonne, umgeben von mehr als 500 Jahre alten historischen Gemäuern, genießen wir ein kleines Picknick und werden dabei immer wieder auf unsere Räder angesprochen – Werner sollte bei Flyer für seine unermüdliche Werbung eigentlich eine Art Provision bekommen!

Später strampeln wir gegenüber von Burghausen den steilen Hang hinauf und folgen auf der österreichischen Seite dem Tauernradweg. Von der Höhe aus sehen wir das kleine Delta, wo die Salzach in den Inn mündet, der nun unser fließender Begleiter ist. Wir kommen unterhalb von Braunau vorbei, das wir unbeachtet links liegen lassen. Später löschen wir unseren Durst bei einem Mostbauern mit einem ‚Kaiserspritzer‘: Holunderblütensirup + Apfelwein + Mineralwasser – sehr lecker! Als wir wieder aufbrechen, sehen wir dunkle Wolken, außerdem ist es merklich kühler geworden.
Müde und vom Wind zerzaust erreichen wir Ering, wo uns ein gräfliches Gästezimmer erwartet: klein aber fein, mit einem akzeptablen Bett. Leider versagt der Koch Luigi von der gegenüberliegenden Pizzeria, und so müssen wir statt der ersehnten Spaghetti eine Pizza verdrücken; manchmal haben Radfahrer keinen großen Hunger.

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1. Etappe:
Salzburg – Tittmoning (Kay) = 51 km

Montag, 20. Mai 2013

An der Salzach vor Tittmoning

An der Salzach vor Tittmoning

Stilvoll knüpfen wir bei Beginn der ersten Etappe an den Abschluss vom letzten Jahr an: Im Café Tomaselli gönnen wir uns einen Einspänner mit Schlagobers, Werner nascht dazu ein Stück Sachertorte, und Mozartkugeln von Fürst als kleiner Reiseproviant gehören dann auch in die Satteltasche.
Nun aber aufs Rad!

Bei klarem, sonnigem Wetter radeln wir 46 Kilometer entlang der Salzach, die zunächst recht schnell dahin fließt. An unserer Picknick-Stelle können wir mittags zahlreiche Schwarzkopfmöwen beobachten, die hier auffällig dicht am österreichischen Ufer bei der Nahrungssuche nach Insekten und kleinen Fischen jagen; vielleicht respektieren sie die Landesgrenze, die mitten im Fluss verläuft …
„An manchen Tagen ist der Himmel sozusagen wie aus blauem Porzellan …“, sagt Erich Kästner in seinem Gedicht „Im Auto über Land“ – heute ist ein solcher Tag. Wir freuen uns über das gute Wetter, über das Radfahren, über uns.

Das österreichische Oberndorf verbindet eine originelle Jugendstilbrücke über die Salzach mit Laufen in Deutschland, das in die Salzachschleife eingeschmiegt daliegt. Der Name kommt von den vielen Stromschnellen (ahd.: luoffo), an denen die Salzschiffer hier ihre Fracht umladen mussten, und so wurde der Ort zu einer Schiffersiedlung mit einer hierarchisch gegliederten Einwohnerschaft gemäß der beruflichen Stellung im Schifferberuf. Bedeutend wurde der Handelsplatz ebenfalls durch die Salzbörse und die Herausbildung einer eigenen Architektur, der Inn-Salzach-Bauweise; das alles verrät WIKIPEDIA.
Auch in Tittmoning gibt es einen weiträumigen Stadtplatz mit farbigen Fronten aus Barock-, Rokoko- und Biedermeierfassaden mit Stuck, Erkern und Medaillons verziert, am Rathaus sogar mit Scharen lorbeerumkränzter Cäsarenbüsten – als Ensemble stimmig und immer noch ein bisschen prunkvoll.

Der Platz lädt ein zu einer kleinen bajuwarischen Wurstverkostung: Weißwurst mit Brez’n und Wollwürste – das sind gebratene Kalbswürste ohne Haut, auch G’schwollene genannt – mit Kartoffel-Gurkensalat, dazu ein frisches Helles. Die anwesenden Einheimischen unterbrechen ihre lautstarke, für uns derb daher kommende Unterhaltung und mustern uns neugierig, nicht nur wegen der Fahrräder, wir sind hier halt Fremde.

Mein hanseatisches Blut (Papa kam aus Hamburg) liegt im Wettstreit mit dem kleinen Anteil an bajuwarischen Würzelchen in mir (Seraphim Sönning, Großvater mütterlicherseits, stammte aus Passau), aber eigentlich ziehe ich zurückhaltendes Understatement dem lauten protzigen  „Mia san mia!“ vor.
Beim Abendessen können wir den Wirt und rotgesichtige männliche Stammgäste beobachten, die mit bierschwerer Zunge die heimischen Zustände einschließlich der Weltpolitik diskutieren – zumindest vermuten wir das, denn richtig verstehen wir keinen, nicht nur wegen des bayerischen Idioms.

Unser erster Tag begann süß im Café Tomaselli – und endet mit versalzenen Bratkartoffeln im Gasthof Stockhammer.

Das Salz war also während des ganzen Tages unser Begleiter. Leider verbringe ich eine nicht so gute Nacht unter einer – zumindest gefühlt – zentnerschweren Federdecke.

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Radtour 2013:
Die Anreise
(Werdorf – Salzburg = 5 km)

Sonntag, 19. Mai 2013

Es ist soweit: Der zweite Abschnitt unserer ins Auge gefassten Deutschland-Umrundung per Rad beginnt.

Wir fahren mit dem Zug über Frankfurt nach Salzburg, übernachten dort und dann geht’s los.
Diesmal geschah das Packen unter erschwerten Bedingungen, denn sowohl Werner als auch ich werden kurzfristig von einer Brechdurchfall-Attacke heimgesucht, so dass zumindest bei mir das Optimieren des Gepäcks etwas leidet – wie sich später herausstellen wird.
Wir brechen also um 9.30 Uhr bei strahlender Maisonne auf und freuen uns auf die Zeit, die vor uns liegt.

Der Reisetag im Zug hat nun den Vorteil, dass wir uns ein bisschen erholen können von unserem Unwohlsein, und nachmittags geht es uns beiden auch schon wieder besser.


Salzburg empfängt uns mit Sonnenschein und klarem Himmel.In der Villa Verde, unweit der Altstadt gelegen, haben wir ein nettes, ruhiges Zimmer.
Den Abend beschließen wir österreichisch: Werner genießt soufflierten Topfenschmarrn im Reindl (das ist ein fluffiger Quarkauflauf), dazu ein Glas Blauer Zweigelt, ich freue mich vorsichtig über eine gute Rindfleischbrühe mit Grießnockerln.
Anschließend gehen wir mit den Hühnern ins Bett und schlafen tief und fest.