Samstag, 24. Mai 2014 – Montag, 26. Mai 2014
Zunächst ist Kultur angesagt!
Am Samstagmorgen ergattern wir mit Glück zwei Eintrittskarten für die Anna Amalia-Bibliothek, die letzten des Tageskontingents von ungefähr 70 Besuchern.
Der Bibliotheksraum im Rokokostil ist als lichtdurchflutetes Oval in einen rechteckigen Raum hineingesetzt und erstreckt sich auf drei Etagen. Der Blick des Besuchers verliert sich über den Galerien in ein offenes Rund weit oben an der Decke, wo auf einer Malerei ein zarter Jüngling mit Büchern in der Hand schwebt. Das soll uns sagen: Bildung thront über allem. Und das Besondere an der Gestaltung des Raumes ist wohl auch die gleichzeitige Präsenz von Büsten der damaligen Koryphäen auf dem Gebiet des Dichtens und Denkens – allen voran Goethe und Schiller – neben den adligen Herrschaften wie der Herzogin Anna Amalia.
Nach dem geistigen will unser leibliches Wohl genährt sein: Thüringische Rostbratwurst von der Wurstbude muss es ein und als Dessert ein Stück Pawlowna-Torte – Werner sagt: mmh! – im Kaffeehaus des Russischen Hofes. Nun haben wir uns eine Siesta verdient.
Gegen 19 Uhr blicken wir vom Balkon des Deutschen Nationaltheaters auf den Theaterplatz. „Was ihr wollt“ von Shakespeare steht auf dem Programm. Glücklicherweise kauft Werner ein Programmheft, wo wir später Erklärungen nachlesen können für das, was wir auf der Bühne gesehen haben. Die Inszenierung ist modern, provokativ, im Grundton destruktiv, in gewisser Weise auch melancholisch und gibt Anlass zum Diskutieren.
Bei einem Glas Bier erfrischen wir unseren Geist, bevor es mit den kulturellen Aktivitäten weitergeht, denn Weimar feiert die Nacht der Museen. So nehmen wir um 23 Uhr an einer Führung im Thüringischen Hauptstaatsarchiv teil. Unglaublich, was alles von staatlicher Seite archiviert wird, mit dem Auftrag, dem Wohle des Bürgers zu dienen, wie der Leiter mehrfach betont.
Ein letztes Bier um 1 Uhr nachts gibt uns sozusagen den Rest, bevor wir kulturtrunken ins Bett sinken.
Den Sonntag beginnen wir müde und langsam und nehmen uns nur ein kleines Programm vor.
Zunächst besuchen wir das Stadtmuseum, wo wir eine Sonderausstellung zu „95 Jahre Gründung der Weimarer Republik“ besuchen. Danach schauen wir uns im Bauhausmuseum um, bevor wir der Müdigkeit nachgeben und eine Siesta einlegen. Nachmittags schwingen wir uns noch auf zum Goethe-Nationalmuseum am Frauenplan – und dann ist’s genug mit den Besichtigungen.
Das Abendessen im Scharfen Eck schmeckt wieder thüringisch-rustikal. Nun klingt der Tag aus: Ich schreibe ein bisschen, Werner liest, dann schlafen wir den Schlaf der Gerechten.
Montags sind ja fast alle Museen geschlossen, also haben wir „frei“ und können uns den praktischen Dingen des Radfahrerlebens widmen, wie z.B. verschwitzte Wäsche waschen und einen neuen Fahrradspiegel besorgen.
Ich mache eine kleine Radeltour durch den Park an der Ilm, finde einen lauschigen Platz auf einer Bank gegenüber von Goethes Gartenhaus, schmökere ein bisschen und genieße den herrlichen Sommertag. Werner ist schon eingestellt auf Pawlowna-Torte im Russischen Hof, wo mir die nette Kellnerin später ein erfrischendes Getränk mixt: Holunderblütensirup in
Tonic-Wasser mit Eiswürfeln.
Später versenden wir unser Reservepaket weiter nach Dresden und ein kleines Weimarer Wurstpaket an die lieben Hüter des Hauses, sitzen lesend und Wein trinkend auf dem Herderplatz und geben uns voll und ganz der Urlaubsstimmung hin.
Archiv des Autors: DWThum
Weimar
5. Etappe: Ilmenau – Weimar
= 69 km
Freitag, 23. Mai 2014
Heute müssen wir uns ein bisschen tummeln, denn wir wollen die Strecke bis nach Weimar schaffen. Das warme Wetter hat sich verzogen, der Himmel ist bedeckt und außerdem weht ein frischer Wind. Dunkle Wolken begleiten uns. Der Ilmtalradweg ist eine einfach zu fahrende Strecke ohne Steigungen.
In Bad Berka trinken wir im HotelRestaurant ‚Zum Goethebrunnen’ frische Maibowle und sitzen zum Glück unterm Sonnenschirm, als ein heftiger Regenguss niederkommt.
An dieses Restaurant erinnern wir uns beide, weil wir hier schon einmal saßen, und saßen und saßen. Das war Anfang Mai 2001 auf der Rückfahrt von einer Wochenendfahrt nach Thum im Erzgebirge. Damals war das Lokal offensichtlich an seine Managementgrenzen gestoßen, denn wir mussten außerordentlich lange auf unser Essen warten. Um den weiteren Besucheransturm abzuwehren, stellte die Kellnerin auf mehrere Tische einfach Reserviert-Schilder – so war sie’s wohl gewohnt …
Bis nach Weimar sind es noch genau 20 Kilometer, die ich nach der Maibowle schwungvoll hinter mich bringe. Allerdings bin ich dann auch rechtschaffen müde, als wir im Hotel Anna Amalia in der Geleitstraße ankommen. Dort werden wir sehr nett empfangen, bekommen ein ruhiges Zimmer, unser Reservepaket wartet auch schon auf uns. Das Hotel liegt absolut zentral in der Altstadt – alles stimmt.
Zum Abendessen gehen wir thüringisch essen ‚Zum scharfen Eck’, wo eine einfache, nette Atmosphäre herrscht. Nach zwei Gläsern Köstritzer Schwarzbier reicht’s für den Tag und wir kuscheln uns in Morpheus’ Arme.
4. Etappe: Meiningen – Ilmenau
= 32 km
Donnerstag, 22. Mai 2014
„Tropische Temperaturen in Thüringen“ titelt das Thüringer Tageblatt – und wir radeln bergauf und bergab!
Glücklicherweise haben wir schon bei der Planung eine Fahrt per Zug einkalkuliert, weil wir sonst nicht wie gewünscht am Wochenende in Weimar wären und außerdem die Höhen des Thüringer Waldes uns doch zu abschreckend vorkamen.
Wir radeln also auf ebener Strecke ca. 10 Kilometer bis zum Bahnhof Grimmenthal. Die Zusteigestelle liegt heute trostlos auf freier Flur und erinnert in nichts mehr an die Zeiten, als sich hier ein bedeutender Schienenknotenpunkt mit einem prächtigen Bahnhofsgebäude befand.
Dann kommt der DB-Zug – und ich fasse es kaum: Wir müssen auf dieser ultramodernen Bahnhofsanlage aus Beton und Edelstahl unsere Räder mit Mammutgewicht vier (!) Stufen in den alten Zug hinaufhieven, ich wiederhole: v-i-e-r – eine für mich kaum zu bewältigende Anstren-gung! Hätten wir doch die Südthüringische Privatbahn gewählt, bei der man auf Bahnsteighöhe sein Rad in den Wagen hineinschieben kann! Soviel also zum trickreichen Umfahren der Steigungen bei Zella-Mehlis, Oberhof und Gräfenroda. Netterweise hilft ein Mitreisender beim Rausbugsieren in Plaue, so dass dann nur noch die Aktion Unterführung, d.h. schwere Räder auf der einen Seite treppab und auf der anderen treppauf befördern, bewältigt werden muss Und das alles bei dieser Hitze!
Der weitere Weg gestaltet sich zunächst nicht weniger anstrengend, weil er nämlich in großen Teilen nicht dem Radweg im Tal folgt, – das Hinweisschild steht aber auch so ungünstig! – sondern auf Landstraße und Feldwegen hoch hinaufführt, bevor wir im Wald mit fest gehaltenen Bremsen einen steilen Schotterweg hinunterfahren.
Bei Geraberg verschnaufen wir erst mal ein bisschen, stärken uns an einem Döner-Imbiss mit Salat bzw. Döner, bevor es bei Elgersburg nochmals hoch hinauf geht. Endlos rollt’s bergab nach Ilmenau.
Und hier gefällt es wirklich gut.
Ilmenau, verschwistert mit Wetzlar, ist ein charmantes Klein-städtchen mit knapp 30 000 Einwohnern und verfügt offenbar über eine exzellente Technische Universität mit ungefähr 7000 Studenten. Außerdem pflegt man die Erinnerung an Goethe, der im Auftrag der herzoglichen weimarischen Regierung in seiner Funktion als Kommissionsrat für den Bergbau 26mal die Stadt besuchte. 1780 schrieb er auf dem Hausberg Kickelhahn „Wanderers Nachtlied“. Der Frankfurter sitzt immer noch auf einer Bank vor dem Rathaus, natürlich nur als Bronzestatue.
Wie wir genießen viele Menschen an diesem lauen Sommerabend die ungezwungene Atmosphäre in der Stadt.
3. Etappe: Bernshausen – Meiningen
= 41 km
Mittwoch, 21. Mai 2014
Während des Bepackens heute Morgen fällt dummerweise mein Fahrrad um, was leider den Rückspiegel und somit zunächst auch ein bisschen Fahrsicherheit kostet.
Trotzdem ist das Radeln wieder angenehm. Eine Landstraße ist wegen Brückenrenovierung gesperrt, aber die Route durch das Rosatal bedeutet für uns keinen Umweg.
Wir kommen vor Rosa an riesigen Stallanlagen vorbei, wo im großen Stil Rinderzucht und Milchproduktion betrieben werden. Fuchs und Hase scheinen sich hier in dieser Gegend Gute Nacht zu sagen.
Nach anfänglichen Steigungen fahren wir durch den Wald bergab, was bei der zunehmenden Wärme durchaus schätzenswert ist.
Gegen Mittag erreichen wir das Theaterstädtchen Meiningen.
Hier probieren wir als erstes original thüringische Bratwürste, dazu gibt es eine kühle Maibowle – und schon saust’s im Kopf. Während wir auf die Öffnung des Theatermuseums warten, chillen wir weiter (so heißt das doch, oder?) im Café Neumann. Träge machen wir uns dann auf zum kulturellen Programmteil des Tages.
Aber es lohnt sich, denn wir erfahren eine Menge über das Meininger Theater, das als Wiege des modernen Regietheaters gilt. Ende des 19. Jahrhunderts war es als Meininger Hoftheater des Herzogtums Sachsen-Meiningen mit zahlreichen Gastspielen in ganz Europa bekannt geworden. Leider passt der aktuelle Spielplan nicht zu unseren Reiseplänen, so dass wir einen Theaterbesuch in die Zukunft verschieben.
Das beschauliche Städtchen gefällt uns. Abends lassen wir uns in der Schloss-Stuben ein Hütesgericht schmecken. Was das ist? So werden in Thüringen alles Kloßgerichte genannt, da das Kloßrezept immer
‚gehütet’ werden sollte. Werner schmaust eine Rinderoulade mit Apfelrotkohl und zwei Klößen, ich wähle Lammkeule – als Seniorenteller (!) mit nur einem Kloß.
Leider verbringen wir beide keine erholsame Nacht. Zwar haben wir im Altstadt-Hotel ein schönes Zimmer mit einem guten Bett, ruhig ist es auch, aber irgendwie klappt es nicht mit dem Schlafen. War wohl doch zu viel Alkoholisches nach der Anstrengung des Radfahrens bei der Hitze …
Müde und zerschlagen sitzen wir am nächsten Morgen am Frühstückstisch. Aber wir sind beruhigt, denn heute liegt nur eine kurze Strecke vor uns.
2. Etappe: Lahrbach – Bernshausen
= 47 km
Dienstag, 20. Mai 2014
Auch heute begrüßt uns wieder ein sommerlicher Tag mit viel Sonnenschein, blauem Himmel und angenehmen Temperaturen.
Bereits knapp sieben Kilometer nach Tann befinden wir uns in Thüringen. Wir fahren entlang der Ulster bis hinter Geisa, danach eine lange Strecke durch den Wald, bis wir bei Dermbach dem Feldatal-Radweg folgen.
Die thüringische Rhön ist mindestens genau so schön wie die hessische. Allerdings fällt sogleich ein Unterschied auf: Immens große landwirtschaftliche Anbauflächen dehnen sich oft bis zum Horizont aus, und so ist durch dieses Überbleibsel aus der DDR-Zeit die Landschaft wenig zersiedelt. Kleine, schmucke Ortschaften mit meist einheitlichem Dächerbild liegen inmitten der Felder und muten ein bisschen idyllisch an. Irgendwie erinnert mich das an meine Kindheit in den 1950-er Jahren.
Hier in der thüringischen Rhön scheint in Bezug auf Landwirtschaft alles eine Nummer größer zu sein: Riesige Traktoren mit mannshohen Reifen (vielleicht von Bridgestone?) fahren mit Anhängern voller Gras zur Agrargenossenschaft, wo es wahrscheinlich als Silagefutter eingelagert wird.
Unser heutiges Ziel ist die „Grüne Kutte“ im winzigen Dörfchen Bernshausen. In dem Landhotel wurde am vergangenen Wochenende 150-jähriges Jubiläum gefeiert, der Gasthof ist also seit 1864 im Familienbesitz, und das heißt fünf Generationen von Gastwirten – was und wen mag das Haus schon alles gesehen haben – ein bisschen neugierig wäre ich da schon!
Nach Thüringer Festtagssuppe, Rhönforelle und ausreichend Rhönbier stellen Werner und ich fest, dass wir müde genug sind, um in die Federn zu kriechen. Draußen ist es wie auch in der vergangenen Nacht einfach nur richtig dunkel und richtig still, und so stellt sich bald ein erholsamer Schlaf ein.
1. Etappe: Fulda – Lahrbach (Tann)
= 50 km
Montag, 19. Mai 2014
Die kommenden fünf Etappen sind vorgeplant, denn wir wollen diesmal nicht nur radeln, sondern auch Zeit für Kulturelles haben. Das heißt, bis Weimar haben wir einen festen Zeitplan: Die Strecke ist ausgesucht, die Hotels sind reserviert.
Der Aufbruch von Fulda aus verläuft zunächst etwas holprig, weil – wie immer – der Einstieg für den Radweg nicht so einfach da liegt. Hinweisschilder gibt’s zwar, aber wir brauchen eine kleine Weile, um sie aufzuspüren.
Zudem ‚überrede’ ich Werner noch zu einem Umweg zur Kinderakademie, wo man aus der Perspektive eines roten Blutkörperchens ein begehbares Herz von 36 m² Grundfläche und fünf Meter Höhe erforschen kann. Leider erfahren wir am Einlass, dass es nur geführte Besichtigungen nachmittags um 16 Uhr gibt … Ich bin enttäuscht, Werner ist mürrisch.
Wir fahren also unverrichteter Dinge fort und machen uns endlich auf den Milseburg-Radweg Richtung Tann.
„Rhön grenzenlos schön“ – da hat sich ein kluger Kopf einen sehr treffenden Werbespruch ausgedacht. Sicherlich liegt es auch an dem prächtigen Wetter, dass ich die Landschaft so herrlich finde. Die bewaldeten Kuppen der Rhön erscheinen am Horizont. Sonnenschein und blauer Himmel lassen die vielen Töne des saftigen Grüns der Felder und Wiesen zu einem intensiven Farberlebnis werden. An manchen Stellen säumt ein Spalier von verblühtem Löwenzahn den Radweg. An anderer Stelle wurde das Gras schon gemäht, und dort liegen die durchsichtig weißen Köpfchen ohne Rumpf wie extra für uns hingestreut mitten auf dem Weg.
Der Milseburg-Radweg führt geradlinig durch die Landschaft und steigt stetig, aber gemächlich an. Noch bevor man das dunkle Loch des Tunnels entdeckt, macht sich aus einiger Entfernung ein eisig kalter Luftzug bemerkbar. Ich ziehe den Kragen meiner Jacke bis oben hin zu und dann geht’s los: 1172 Meter bei Kühlschranktemperatur – da heißt es schnell strampeln! Am anderen Ende empfängt uns glücklicherweise wieder frühsommerliche Wärme.
Von nun an geht’s fast nur noch bergab, die Räder rollen wie von alleine.
Am Rand einer Wiese schauen wir zu, wie hier Silagefutter vorbereitet wird: Ein Traktor mit einem Kasten als Anhänger saugt säuberlich die dünnen Reihen des gemähten Grases ein und spuckt anschließend aus einer Klappe eine große runde Rolle aus. Ein zweiter Traktor gabelt sie auf und wickelt sie automatisch mit einem hellgrünen Plastikband zu einer dicken, etwas abgeflachten Kugel. Die umstehenden Kühe scheinen sich für diesen Vorgang ebenso zu interessieren wie wir Radler.
In Tann gönnen wir uns nach der ersten Etappe unserer Tour ein Gläschen Wein, sitzen im Sonnenschein und sind zufrieden.
Bei Familie Kehl in Lahrbach genießen wir gutes Essen, sind aber von der gesamten Atmosphäre weniger verklärt als bei unserem ersten Besuch. Der Abend klingt für uns auf der Terrasse des Gästehauses aus. Draußen ist es nicht nur dunkel, sondern richtig nachtschwarz, keinerlei Autolärm stört, ländliche Ruhe umgibt uns.
Anreise:
Werdorf – Fulda
Sonntag, 18. Mai 2014
Wir starten vormittags zu einer gemütlichen Zeit von Werdorf nach Wetzlar, wo wir den Zug nach Fulda nehmen wollen.
Unsere Flyer sehen aus wie Packesel: Taschen links und rechts und vorne und hinten. Ich muss mich beim Fahren erst wieder an diese Lasten gewöhnen.
Dabei habe ich doch versucht, so sparsam wie möglich zu packen! Ich bin fast nicht von der Packliste des letzten Jahres abgewichen – und trotzdem scheine ich Backsteine zu transportieren. Für die feineren Sachen, die wir in Weimar und Dresden beim Theaterbesuch benötigen, war ja schon gar kein Platz, sie sind per DHL-Paket unterwegs an das Anna-Amalia-Hotel.
Die zweistündige Bahnfahrt nach Fulda vergeht rasch; draußen zieht ländliche Landschaft vorüber: Wir fahren durch den Vogelsberg.
Wir wohnen im freundlichen Arte Altstadthotel, sind mit dem geräumigen, hellen Zimmer sehr zufrieden, und auch die Gaststätte im HBH-Brauhaus gegenüber gefällt uns gut.
Nachmittags machen wir den obligatorischen Besuch im Dom, wo die Gebeine des Heiligen Bonifatius ruhen, schlendern ein bisschen durch den Schlosspark bis zur Orangerie, genießen ein Weinchen in der Altstadt, bevor wir dann für eine erholsame Nacht ins Bett sinken.
Ach ja, das Wetter: Pünktlich zum Beginn unserer Tour zeigt sich der Vorsommer mit Sonne, blauem Himmel und angenehmer Wärme – was wollen wir mehr!
Radtour 2014
Fulda – Weimar –
Dresden – Zittau –
Görlitz
„Wenn du reisen willst, verlange von der Gegend, in die du reist, alles: schöne Natur, den Komfort der Großstadt, kunstgeschichtliche Altertümer, billige Preise, Meer, Gebirge, also: vorn die Ostsee und hinten die Leipziger Straße. Ist das nicht vorhanden, dann schimpfe.“
(Kurt Tucholsky)<
20. Etappe:
Büdingen – Lich – Werdorf
= 56 km
Freitag, 14. Juni 2013
Morgens ist der Himmel grau bedeckt, wieder kein richtig gutes Wetter! Also steuern wir heute unsere letzte Etappe an: bis Nidda, per Zug nach Gießen, dann mit dem Rad bis nach Hause.
Wir fahren über Selters, mühen uns hoch nach Konradsdorf, durch den Wald, den steilen, unwegsamen Biberberg hinunter, und kommen so nach Bellmuth, das dörflich klein und verschlafen in der Senke liegt. Werner macht kurz Halt auf dem Friedhof und wirft einen Blick auf seine Latifundien am Ortsausgang, dann geht’s weiter über Ranstadt auf einem neuen Radweg Richtung Nidda.
Am Waldrand bleibt Werner nach einem Blick auf den kleinen Fahrradcomputer stehen und verkündet: 1000 km! Auch wenn es uns manchmal zwischendurch nicht so vorkam, haben wir doch eine recht beachtliche Strecke bewältigt – das macht uns durchaus zufrieden, auch ein bisschen stolz …
Zu Mittag legen wir auf dem sonnigen Marktplatz in Nidda eine Pause ein. Weil ich ein bisschen zum Weiterfahren drängele, Werner gerne hier die Tour beenden würde, einigen wir uns auf den Kompromiss: bis Lich per Rad, dann mit dem Zug bis Werdorf.
In Lich belohnen wir uns mit einem schnellen leckeren Eis zum Abschluss und steigen dann in den Zug, der uns über Gießen nach Werdorf bringt.
Gegen 18 Uhr kommen wir müde, aber zufrieden nach Hause.
19. Etappe:
Schlüchtern – Büdingen
= 58,5 km
Donnerstag, 13. Juni 2013
Heute ist ein heißer Tag! Die Sonne scheint schon morgens sommerlich-fröhlich und lässt die dunklen Wolken vergangener Tage vergessen. Wir radeln auf einer schönen Strecke durch Wiesen und Felder.
In Bad Soden-Salmünster, wo ich während des einzigen Urlaubs mit meinen Eltern im ‚zarten‘ Alter von 15 Jahren Schwimmen lernte, trinken wir eine Tasse Kaffee im Café Altes Kurhaus. Alles versprüht irgendwie den Charme einer verblühten Rose …
Für das Picknick müssen wir unbedingt ein Plätzchen im Schatten suchen, was längs der Bahngleise gar nicht so leicht ist. Uns fällt auf, dass ungewöhnlich viele langsame ICE und Güterzüge auf dieser normalen Bahnstrecke fahren, sicherlich weil die östlichen Abschnitte wegen der Überflutungen gesperrt sind.
Ein langer, steiler Anstieg parallel zur Bundesstraße führt uns nach Büdingen. Auf dem Marktplatz brauchen wir dringend eine kleine Erfrischung: ‚Hessen-Hugo‘ (= Apfelwein mit Holunderblütensirup und Mineralwasser, also ‚Kaiserspritzer‘) und Apfelwein schmecken köstlich!
Im Hotel SchlossStuben kühlt uns dann ein recht unfreundlicher Empfang weiter ab. Das Zimmer ist winzig (teuer, aber komfortabel renoviert), das Essen schmeckt gut, aber im Haus herrscht eine äußerst gestresste Stimmung, von der wir uns nicht anstecken lassen wollen.
Abends bringt ein Sturm dann kräftigen Regen – wie könnte es anders sein?
Karte der 19. Etappe: Schlüchtern – Büdingen (58,5 km) ansehen
Schlüchtern – Steinau an der Straße – Schlüchtern
= 17 km
Mittwoch, 12. Juni 2013
Nach einem ausführlichen Frühstück mit Zeitungslektüre radeln wir die paar Kilometerchen nach Steinau an der Straße, dem Geburtsort der bekannten Brüder Grimm.
In einer ansprechenden Ausstellung im Grimm-Haus gedenkt das Städtchen der beiden großartigen Sprachforscher und Sammler von Kinder- und Hausmärchen. Gut gefällt uns, dass man in einer aktuellen dtv-Ausgabe ihres Deutschen Wörterbuchs blättern kann, besonders hübsch finde ich die zahlreichen Dioramen, in denen mit viel Liebe fürs Detail Szenen aus Märchen mit Zinnfiguren dargestellt sind.
Im Museum in der ehemaligen Amtshofscheune wird die Bedeutung des Ortes, gelegen an der Via Regia, der Handelsstraße Frankfurt-Leipzig, unter verschiedenen Aspekten deutlich gemacht: Reisende, Reiseabenteuer, Reparatur von Reisekutschen, Beherbergung von Reisenden, Herstellung und Handel mit Töpferwaren … – dem interessierten Betrachter wird ein schlüssiges Konzept präsentiert.
Heute Nachmittag ist Müßiggang angesagt – und wir merken, dass uns das wirklich gut tut!
18. Etappe:
Gemünden – Schlüchtern
= 51 km
Dienstag, 11. Juni 2013
Die Nacht war regnerisch und es sieht zunächst eher nicht so gut aus fürs Weiterfahren, aber bald lichten sich die Nebel- und Dunstschwaden über den Baumwipfeln.
Nach wenigen Kilometern schauen wir auf eine gänzlich andere Landschaft. Wie in einem Bilderbuch liegen sanft bewaldete Hügel über weiten grünen Wiesen, ein kleiner Fluss plätschert neben uns her. Wir sind jetzt im romantischen Sinntal, fahren durch kleine, wie vergessen wirkende Dörfer. Zwar zeigt sich der Himmel noch ein bisschen bedeckt, aber irgendwie passt das Wetter zur Gegend. Es gefällt uns wirklich gut hier!
Nach und nach kommt nun auch die Sonne hervor und begleitet uns für den Rest des Tages. Vor Altengronau erfahren wir: „Der Biber ist zurück in Hessen!“ – Wir haben also das benachbarte „Ausland“ verlassen und nähern uns heimischen Gefilden.
Während unserer mittäglichen Rast an einem plätschernden Dorfbrunnen überlegen wir, bis wohin wir heute radeln können. Letztendlich bietet sich wegen der Akku-Kapazitäten eine Weiterfahrt nach Schlüchtern an, und das klappt gut. Die ersten langen Kilometer führen uns stetig bergan, wir schnaufen ordentlich vor Anstrengung, werden aber auch belohnt mit herrlichen Ausblicken auf die weiten Wiesen um uns herum.
Nach der Main-Kinzig-Wasserscheide sausen wir mit hohem Tempo bergab und sind bald in Schlüchtern.
Das Eiscafé Ca D’Oro in der Obertorstraße ist ein Muss: vorzügliche Eisbecher, köstliche frische Säfte! Im Hotel StadtSchlüchtern werden wir sehr nett empfangen, bekommen ein komfortables Zimmer und beschließen abends, am nächsten Tag eine Radelpause einzulegen, diesmal trotz oder wegen des Sonnenscheins.
Karte der 18. Etappe: Gemünden (Main) – Schlüchtern (51 km) ansehen
17. Etappe:
Veitshöchheim – Gemünden (Langenprozelten)
= 36 km
Montag, 10. Juni 2013
Vor der Weiterfahrt schauen wir den beeindruckenden Rokokogarten an, den fürst-bischöfliche Granden nahe bei Würzburg erbauen ließen. Die Damen und Herren der feinen Gesellschaft konnten hier lustwandelnd das Elend der Welt sicherlich weit weg wähnen.
Weil die Wettervorhersage heute wieder Regen angekündigt hat, steuern wir Gemünden als Ziel an, also liegt eine kurze Etappe vor uns.
Bald fängt es auch an zu regnen, wir verpacken uns wieder wasserdicht und machen dann in Karlstadt Halt. Picknick geht ja nicht bei diesem Wetter, daher kehren wir im Ratskeller ein, der ein nettes griechisches Lokal ist.
Nach der Pause hat der Regen aufgehört – von nun an soll es endlich besser werden!
In Gemünden sehen wir, dass die Zufahrt durch ein Stadttor vom Main her noch mit zwei Meter hohen Spundwänden verschlossen ist, der Radweg ist schlammig, wir müssen durch matschigen braunen Schmadder hindurch – unangenehm.
Am frühen Nachmittag kommen wir in Langenprozelten an, ruhen uns aus und planen die Weiterfahrt: Wir werden morgen den Main verlassen und in den Spessart fahren.
Karte der 17. Etappe: Veitshöchheim – Gemünden (36 km) ansehen
16. Etappe:
Hörblach – Veitshöchheim
= 56 km
Sonntag, 9. Juni 2013
Heute brechen wir relativ früh auf, denn nicht nur die Vorhersage, auch das dazugehörige Wetter ist schlecht. Der Himmel ist grau verhangen, ein kräftiger Wind bläst – nichts für kurze Hose oder kurze Ärmel.
In Kitzingen wechseln wir nach einigen Diskussionen über die Alte Mainbrücke auf die linke Seite des Flusses und radeln durch das Gelände der Landesgartenschau von 2011.
Ungefähr nach zehn Kilometern beginnt es zu regnen, so dass wir unsere gesamte Schutzkleidung anziehen müssen. Wir halten durch bis Ochsenfurt, wo wir auf dem Marktplatz im traditionsreichen Gasthaus „Zum Schmied“ eine Kleinigkeit essen, während unsere Sachen trocknen.
Nach unserer Rast geht es ohne Regen, sogar mit ein bisschen Sonne weiter. Wir folgen dem „braunen“ Main: Der Fluss führt braunes Wasser, der Bewuchs am Ufer liegt niedergedrückt unter Schlamm, der Radweg ist größtenteils matschig, olfaktorisch nicht wirklich erquicklich!
Da wir nicht in Würzburg bleiben wollen, steuern wir Veithöchsheim an, wo wir ein Zimmer „Am Rokokogarten“ reserviert haben.
Nun, wir machen heute die Erfahrung, dass Nomen nicht gleich Omen sein muss. Das Gästehaus steht gleich am Ortseingang, mehrere Hundert Meter entfernt von besagtem Rokokogarten – und zu unserem Missfallen liegt die Hochtrasse des ICE greifbar nah. Ein Blick aus dem Fenster bietet beinahe einen Anblick wie in den surrealistischen Gemälden von Dali: Die Häuser ducken sich unter der Bahntrasse weg, oben erahnt man den fahrenden Zug.
Wir fühlen uns durch den Besitzer mit seinen irreführenden Versprechungen hinters Licht geführt – glücklicherweise verbringen wir nur eine Nacht hier. Leider trägt auch der Restaurantbesuch „Im Spundloch“ nicht zur Erheiterung bei, wo zwar das Ambiente durchaus hübsch ist, wir aber für wenig Essen viel Geld bezahlen.
Aber es tröstet uns, dass wie bisher solche Erfahrungen nur selten machten.
Karte der 19. Etappe: Hörblach – Veitshöchheim (56 km) ansehen
15. Etappe:
Schweinfurt – Hörblach bei Kitzingen
= 42 km
Samstag, 8. Juni 2013
Heute ist das Wetter entgegen den Prognosen gut: klarer Himmel, Sonnenschein, milde Temperaturen – was will man mehr? Nach einem sehr guten Frühstück radeln wir raus aus der Stadt.
Die Wiesen direkt am Fluss liegen größtenteils noch unter brackigem Wasser, manchmal stochern Störche nach Mäusen oder Fröschen, sicherlich haben sie nach diesem Hochwasser viel Erfolg bei ihrer Nahrungssuche. Viele Äcker bieten einen betrüblichen Anblick.
Rechts neben der Straße erheben sich die ersten flachen Weinberge.
In Wipfeld gibt es an der Mainfähre einen gepflegten Picknickplatz (schade, zum Essen ist es noch zu früh), dahinter ein Biergarten, wo wir unter Schatten spenden Bäumen Johannisbeerschorle bzw. alkoholfreies Bier trinken.
Nun beginnt ein wirklich hübscher Streckenabschnitt. Wir entscheiden uns für die steile Route durch die Weinberge zur Vogelsburg, von wo man einen schönen Ausblick auf die Mainschleife bei Volkach hat. Jetzt ist Zeit für eine kleine Mittagspause, die wir allerdings in der warmen Sonne nicht allzu lange ausdehnen.
Wir fahren ins Zentrum von Volkach, wo wir auf dem Marktplatz eine Neuerung kennen lernen: eine solar betriebene Ladestelle für E-Bikes. Werner nutzt die Gelegenheit und schließt seinen Akku an, der nun in einer Art abschließbarem Gepäckfach aufgeladen wird.
Derweilen trinken wir einen Schoppen, unterhalten uns dabei mit einem netten Ehepaar – Radfahrer, was sonst! – und bekommen noch ein paar Tipps für die Weiterfahrt.
Wir radeln später die Mainschleife entlang, was allerdings durch einzelne überschwemmte Abschnitte nicht nur einfach ist. Ich entdecke dabei eine neue Technik für das Vorankommen ohne nasse Füße: Wenn das Wasser in den schlammigen Pfützen zu hoch steht, wippt man, um nicht treten zu müssen, ein bisschen mit beiden Pedalen, die auf gleicher Höhe stehen; allerdings darf der „Teich“ bei dieser Fortbewegungsvariante nicht zu lang sein.
Wir kommen gut voran und erlauben uns eine weitere Einkehr in Sommerach, wo wir auch Frankenwein schlürfen. Ich fühle mich durchaus angeheitert, als wir die restlichen Kilometer zu unserem heutigen Quartier nach Hörblach aufbrechen. Im Gasthaus „Schwarzes Ross“ brummt der Bär, und später sind wir im kleinen Biergarten mitten dabei. Das Motto des Abends lautet uneingeschränkt:
Wasser macht weise,
lustig der Wein,
drum trinken wir beides,
um beides zu sein.
Der Wein beflügelt unsere Stimmung, wir versuchen uns in albernen Stabreimen, verschicken eine Mail in Gedichtform, amüsieren uns prächtig … Beim Bier waren wir nicht so kreativ!
Karte der 15. Etappe: Schweinfurt – Hörblach (42 km) ansehen
14. Etappe:
Bamberg – Schweinfurt
= 65 km
Freitag, 7. Juni 2013
Der Tag beginnt mit einem kleinen kulturellen Höhepunkt, denn wir besichtigen den Bamberger Reiter im Dom. Die wunderschöne, ebenmäßige Steinmetzarbeit stammt aus der Blütezeit der Staufer zu Beginn des 13. Jahrhunderts und beeindruckt heute noch durch ihre außergewöhnliche Ästhetik.
In Bamberg folgen wir zunächst dem Main-Donau-Kanal, fahren über die Regnitz, die später in den Main einmündet. Jetzt sind wir wieder auf dem Mainradweg unterwegs, den wir heute an einer Stelle verlassen müssen, weil mehrere Bäume durch die Wassermassen vom Hang auf den Weg gestürzt sind. Bis Hassfurth radeln wir durch Wiesen und Auen, danach folgt eine lange, langweilige Strecke: links schlammiger Uferbewuchs, dahinter der Main, rechts Böschung, dahinter die Straße, mittendrin wir auf einer Betonpiste – einfach nur öd! Werner und ich stimmen darin überein, dass uns dieses Radfahren direkt am Fluss nicht besonders gefällt, wenn es nicht abwechslungsreich genug ist.
Schweinfurt (allein schon der Name!) ist sehr wenig bezaubernd, um es mal positiv auszudrücken. Wir lassen uns durstig auf dem abgetakelten Marktplatz ohne jegliches Flair nieder und harren auf ein erfrischendes Getränk, das uns nach ziemlich langem Warten dann auch mal serviert wird. Schade, dass wir hier Zeit absitzen, anstatt gleich zum Kolpinghaus zu fahren, wo wir ein Zimmer reserviert haben. Dort gibt es einen herrlichen kleinen Biergarten unter lauschigen Kastanienbäumen – aber, verschwitzt wie wir sind, wollen wir erst mal unsere Siebensachen auspacken und eine erfrischende Dusche nehmen. Der Himmel wird zwischenzeitlich immer schwärzer, Blitz und Donner bringen kräftigen Gewitterregen mit, danach klart es wieder auf, aber mit Biergarten-besuch ist nun nichts mehr.
Heute Abend trinke ich ein Glas Wein zum Essen: Rotling – was immer das sein mag; er schmeckt ein bisschen wie eine alkoholhaltige Limonade.
Wir verbringen eine erholsame Nacht – das Kolpinghaus in Schweinfurt ist durchaus empfehlenswert!
13. Etappe:
Reundorf – Bamberg
= 42,5 km
Donnerstag, 6. Juni 2013
Unser erster Stopp liegt bereits im nahen Bad Staffelstein, wo wir in der warmen Junisonne eine Tasse Kaffee trinken und uns fürs mittägliche Picknick versorgen, dann geht’s weiter.
Auch heute müssen wir auf Umleitungen für Radfahrer achten, denn noch sind nicht alle Wege frei vom Überflutungswasser. So fahren wir durch Wiesen und Felder, aber auch auf Landstraßen und kommen schon am frühen Nachmittag nach Bamberg.
Eigentlich wäre ich gerne noch weitergefahren, weil das Wetter so schön ist, aber Werner hat Recht mit seiner Idee, hier in der Stadt ein Hotel zu suchen.
Bamberg ist ja bekannt für seine Bierkultur, also probiere ich erstmal ein hiesiges Kellerbier, Werner trinkt ein Bamberger Rauchbier, das nach Schinken schmeckt – sensorisch äußerst gewöhnungsbedürftig!
Den Abend verbringen wir in der wunderschönen Altstadt, die schon 2003 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Viele Menschen sind an diesem milden Abend unterwegs, Jung und Alt, Einheimische und Touristen, Deutsche, Asiaten und Amerikaner – und wir mitten drin. Schäuferla und Krustenbraten schmecken wieder, dazu das süffige Bier, auch wenn peu à peu unser Bierdurst gestillt ist.
Morgen werden wir von Bierfranken nach Weinfranken kommen, was uns als Weintrinker durchaus freut.
Bamberg hinterlässt bei mir den Wunsch, mit mehr Zeit im Gepäck zurückzukehren und weitere Seiten der malerischen Altstadt zu erkunden. Die Stadt fordert in ihrer Broschüre ja auch dazu auf: „Wer noch nicht dagewesen, der mache sich eilig auf und reise hin, damit nicht ein Brand oder ein Erdbeben ihm die trostlose Wahrheit ließe, er müsse sterben, ohne diese kostbare Stadt gesehen zu haben.“ (August Friedrich Siebert, 1805 – 1855, Arzt und Reiseliterat)
Die Nacht verbringen wir im Arkadenhotel im Karmelitenkloster: teuer, aber gut, in einem gepflegten Zimmer mit einem hervorragenden Bett, zum Abschluss ein köstliches Frühstück.
12. Etappe:
Kulmbach – Reundorf bei Lichtenfels
= 56 km
Mittwoch, 05. Juni 2013
Die Hochwasserschäden machen sich heute eigentlich während der ganzen Strecke bemerkbar.
Den Mainzusammenfluss können wir wegen der Überflutung auf dem Mainuferweg immer noch nicht erreichen. Mehrfach müssen wir auf die Bundesstraße ausweichen, was bei dem starken Verkehr wirklich unangenehm ist. PKW und Laster rauschen dicht an uns vorbei, der Lärm dröhnt in meinen Ohren; so macht das Fahren keinen Spaß.
Dabei ist das Wetter wirklich gut: Endlich scheint die Sonne wieder, der Himmel ist blau, es ist warm. Irgendwann fällt mir ein, dass ich auch luftigere Radlerkleidung dabei habe und ich ziehe zum ersten Mal während der Radtour kurze Hosen an!
Hinter Kulmbach bei Mainleus ist der Radweg zwar nicht gesperrt, aber überflutet. Ein Paar mit Mountainbikes wagt die Durchfahrt und ich sehe, dass ihre Räder bis zur Hälfte im Wasser stehen. Das ist nichts für uns! Wir kehren also wieder zurück zur Bundesstraße bis Burgkunstadt, auch hinter Altenkunstadt müssen wir wieder auf befahrene Straßen ausweichen. So kommen wir mit mehreren Umwegen nach Lichtenfels bzw. ins kleine schmucke Dörfchen Reundorf, wo wir im Gasthof Pension Müller ein hübsches Zimmer unter dem Dach finden.
Wir haben einen weiten Blick in die Landschaft. Auf der einen Seite ragt der Staffelberg 539 Meter hoch empor, ein Hochplateau, das bereits bei den Kelten als Rückzugsort bei Gefahr diente. Die direkt gegenüber liegende Seite wird in 385 Metern Höhe dominiert von der imposanten Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen – wer wollte hier wohl wen übertrumpfen?
Nach diesem wunderschön sonnigen, auch ein bisschen anstrengenden Radfahrtag sind wir heute zwar müde, aber zufrieden. Wir genießen die ländliche Idylle, manchmal höre ich die nachts die Frösche im Teich quaken, durchs offene Fenster dringt der Geruch von Heu ins Zimmer, wir schlafen tief und erholsam.
Karte der 12. Etappe: Kulmbach – Reundorf bei Lichtenfels (56 km) ansehen
11. Etappe:
Bayreuth – Kulmbach
= 44,5 km
Dienstag, 04. Juni 2013
Unsere erste Unternehmung heute Morgen ist ein Ausflug hoch zum Grünen Hügel, wo wir das berühmte Festspielhaus von außen anschauen. Es liegt groß und still da, wirkt ein bisschen abweisend; irgendwelche Proben scheinen noch nicht begonnen zu haben, man hört zumindest von außen nichts.
Aber mehr als das Gebäude interessiert uns die beeindruckende Ausstellung „Stumme Stimmen“, die auf dem kleinen parkähnlichen Gelände davor zu sehen ist. Hier wird auf Schautafeln zum einen die äußerst merkwürdige, ambitionöse Geschichte der Festspiele erläutert, wobei für mich ein Bestreben des Wagner-Clans erkennbar wird, eine exklusive Show sehr gewinnbringend zu vermarkten und sich im Glanze der Großen und Reichen der Zeit zu sonnen. Erschreckend deutlich wird auch, wie man systematisch auf jüdische Künstler, seien es Musiker, Sänger, Regisseure oder Theaterschaffende überhaupt „verzichtet hat“, weil sie nicht ins rassisch dominiert Bild passten.
Ich frage mich, ob es einer Bundeskanzlerin Merkel wirklich gut ansteht, alljährlich hier auf dieser Bühne zu erscheinen; den Musikgenuss einer Wagner-Oper kann sie sicherlich auch an weniger belasteten Orten erleben.
Wir setzen unsere Fahrt auf dem Rotmainweg fort. Von oben ist es trocken und zunehmend wärmer, allerdings sehen wir an vielen Stellen, welche Spuren der Fluss in den Auen hinterlassen hat. Später führt der Weg eine gute Weile etwas mühsam ansteigend durch feuchten, matschigen Wald, bis wir wieder freies Feld erreichen.
Heute ist auch wieder „normales“ Picknick möglich, was uns durchaus entgegen kommt.
Bei Katschenreuth fließen der Rote Main und der Weiße Main zusammen, aber wir stehen vor einer großflächigen Seenlandschaft; der Weg an den Mainzusammenfluss ist wegen des Hochwassers gesperrt. Vielleicht haben wir morgen von der anderen Seite her mehr Glück. So drehen wir um bzw. fahren weiter nach Kulmbach, wo wir direkt am wunder-schönen Marktplatz im Weißen Roß ein Zimmer nehmen und später gutes fränkisches Essen im kleinen Lokal Zum Petz verzehren,
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Es war – endlich wieder – ein schöner Tag zum Radfahren!
Bayreuth
Montag, 03. Juni 2013
Nach dem Frühstück und ausgiebiger Zeitungslektüre schauen wir uns in Bayreuths kleiner Altstadt um.
Das Markgräfliche Opernhaus, seit 2012 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt, lässt leider nur einen winzigen Blick auf seine Schönheit zu, denn es wird zurzeit gründlich restauriert. Bayreuth selbst ist ein kleines, durchaus überschaubares Städtchen, das sich wohl während der Festspielzeit im Juli und August jedes Jahres zu einem großen Magneten für Wagner-Musik-Liebhaber aus aller Welt mausert. Allerdings wirft dieses große Ereignisse schon seinen Schatten voraus, denn das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel ist gerade wegen der Proben nicht zu besichtigen; schade, ich hätte das Theater, das weltweit die beste Akustik haben soll, gerne von innen gesehen.
Dafür tröste ich mich in der Markgrafen-Buchhandlung mit einer kleinen Lesung zu Jean Paul, der hier in und um Bayreuth lebte und dessen 250. Geburtstag man feiert. Im Literaturkurs habe ich mich mit seinem „Schulmeisterlein Wutz“ wirklich abgequält, aber die heutige Lesung kommt nett und unterhaltsam daher. Ich erfahre, dass er z.B. das Wort „Gänsefüßchen“ geschaffen hat, was zweifelsohne eine Bereicherung für unsere Sprache darstellt.
In der Buchhandlung nehme ich wieder ein Buch von Klaus Modick mit, das mir zufällig in die Hände gerät: „Ins Blaue“, 1985 erschienen, ein kleiner phantasiereicher Roman, der an Tucholskys „Gripsholm“ erinnert und eine nette Reiselektüre ist. Manchmal muss man nicht suchen, sondern die Sachen finden ihren Besitze sozusagen in Eigenregie,